Ich muss euch schon einmal vorwarnen! Dieser Artikel ist sehr lang. Ich habe aber auch viel zu erzählen. Dieses Wochenende war ein totaler Kulturschock...😱
Lucas, ein Lehrer an der Tree House Academie, hat
beschlossen mich am Wochenende mit in sein Dorf zu nehmen. Das Dorf liegt 45 km
außerhalb der Stadt, was bedeutet wir sind mitten im Busch. Zur Erklärung, da
der Begriff Dorf für unsere Verhältnisse irreführend ist. In Namibia besteht
ein Dorf lediglich aus ein paar Hütten, in denen nur die Familienmitglieder
wohnen, also 5 bis 10 Personen. Das komplette Dorf wurde mit den eigenen Händen
aufgebaut. Hierbei wurde Holz und Stroh aus dem umliegenden Wald und den
umliegenden Wiesen geholt. Als Mörtel hat man sich die Termiten als Vorbild
genommen, die einen bestimmten Sand benutzen. Unglaublicher, die Termitenhügel
sind hart wie Beton. Bob der Baumeister wäre stolz.
Die Menschen im Busch versorgen sich komplett selber. Jede Familie hat ihre eigenen Kühe, Ziegen, Hühner und Schweine. Außerdem wird nahe dem Fluss in etlichen Gärten Gemüse angebaut. Nahrung ist hier kein Problem, zumal man auch in den Busch zum Jagen gehen kann. Wasser wiederum ist auch hier ein großes Problem, da es selten hauseigene Wasserleitungen gibt. Das Wasser wird aus dem Fluss oder staatlichen Brunnen bezogen und muss oft lange Strecken getragen werden. Wie man sich vorstellen kann, gibt es natürlich auch keine sanitären Anlagen und Elektrizität. Das Leben im Dorf wird ganz nach dem Motto „Back to the Roots“ geführt. Hier mein Schlafplatz.
Vorsicht! Schlangengefahr!
Am Freitag nach der Schule haben Lucas und ich mich auf dem
Weg zum Dorf gemacht. Wir sind per Anhalter in einem LKW mitgefahren, der uns
direkt am Dorf abgesetzt hat. Ich wurde sehr herzlich von Lucas Familie begrüßt.
Leider konnte ich nur mit Lucas Vater kommunizieren, da er ganz gut Englisch
gesprochen hat. Nach einem kleinen Rundgang im Dorf und der Vorbereitung meines
Schlafplatzes, sind wir zur Bar von Lucas Onkel gelaufen und haben dort den
Abend verbracht. Hier habe ich weitere Familienmitglieder von Lucas
kennengelernt und wurde auch sehr gastfreundlich mit einem traditionellen
Abendessen aus Pap (Maisbrei) und Hühnchen. 😲🔥
Als es dunkel wurde, kam ich in den
Genuss des wundervollen Sternenhimmels Namibias, einfach unglaublich und nicht
zu vergleichen mit dem in Deutschland.🌝🌟
Am nächsten Morgen wurde ich vom Krähen des Hahns geweckt.
Um kurz nach 5 Uhr haben wir das Dorf, bewaffnet mit einem Gewehr, verlassen.
Wir liefen tief im Busch umher, da die Morgenstunden sich am besten zum Jagen
eignen. Lucas beruhigte mich, dass ich keine Angst haben brauch und dass es
sicher sei. Ich konnte das nicht 100-prozentig glauben. Man darf nicht
vergessen, dass wir uns in der Wildnis befinden und die Möglichkeiten auf
giftige Schlangen und Löwen zu treffen, durchaus besteht. 🙈😨
Nach zweistündiger,
erfolgloser Fährtensuche haben wir uns geschlagen auf den Weg zurück gemacht.
Im Dorf waren die Frauen und Kinder schon fleißig am Mahlen des Korns, um es
fürs Kochen vorzubereiten. Auch ich habe mich daran versucht, aber war nicht
sonderlich geschickt, was mir den ein oder anderen Lacher der Familie
einbrachte.😅
Nach dem Frühstück, hauseigene Eier mit Toast, ging es Richtung
Fluss. Auf dem Weg zum Fluss hat mir Lucas viele lokale Früchte gezeigt, die an
Bäumen und Sträuchern wachsen. Auch wenn die Menschen kein Wasser haben,
verfügt Namibia allgemein über große, unterirdische Wasserquellen, an denen
sich das Pflanzenreich bedient. Eine Frucht hat mich an die Centershocker in
Deutschland erinnert, weil sie genau so sauer waren. 😖
Am Fluss angekommen, sind
wir am Fluss entlang zu einer besonderen Stelle gelaufen, an der wir baden
konnten. Auf dem Weg dahin haben wir viele Gemüsegärten gesehen. Wir haben
außerdem immer wieder nach Krokodilen und Nilpferden Ausschau gehalten. Ein erfrischendes und abkühlendes Bad, bei knapp 40 Grad in der Sonne, haben
wir uns nicht entgehen lassen. Nachdem wir mit den Krokodilen geschwommen sind, haben wir uns von einem Fischer ein kleines Kanu ausgeliehen. Mit diesem Kanu sind
wir auf die andere Seite des Flusses gepaddelt, ich hab die Chance genutzt und hab Angola betreten. Was nicht ganz legal ist. 😅
Auch beim Überqueren des Flusses sind wir nicht über Krokodile
oder Nilpferde gestolpert.
Zum Mittagessen sind wir zurück zur Bar von Lucas
Onkel und wurden dort mit Reis, Kartoffeln und Hühnchen verwöhnt. Die Zeit der
prallen Nachmittagshitze haben wir gemütlich in der Bar und natürlich im
Schatten verbracht. Als es dem Abend entgegenging, sind Lucas, Lucas Vater und
ich zu Verwandten gefahren, wo die Ziegen der Familie untergebracht sind. Hier
wird traditionelles Kavango-Bier aus dem Korn gemacht. Nachdem ich meinen gesamten Mut gesammelt habe, habe ich einen Becher davon getrunken. Mein Fazit lautet, dass das Bier geschmacklich weit vom guten Bier
entfernt liegt, aber es erfüllt den Zweck betrunken zu werden. 😂
Lucas Vater hat
währenddessen die Ziegen inspiziert und hat eine Ziege ausgewählt, welche uns
als Abendessen dient. Die Ziege wurde auf den Pickup geladen und ins Dorf
gebracht. Natürlich werden die Tiere selbst geschlachtet und fürs Essen
vorbereitet. Eine große Ehre, dass die Familie extra für mich eine Ziege
opfert. Mir wurde auch die Ehre zu Teil die Ziege zu töten, zu häuten und das
Fleisch und die Innereien fürs Kochen vorzubereiten und zu waschen. Das war mit
Abstand das verrückteste was ich an diesem Wochenende oder vllt in meinem ganzen Leben gemacht habe. Ich erspare euch die Bilder und Videos. Auf dem unteren Bild hat sie noch gelebt.😅
Nach dem
Grundkurs in Schlachtung, wurde das Essen zubereitet. Vor allem die Innereien,
wie Leber, Niere, Lunge, Magen und Darm, werden hier als Delikatesse
bezeichnet. Zum Abendessen gab es standardmäßig Pap, außerdem kam ich in den
„Genuss“ eben jener Delikatessen. Ich muss sagen, dass ich das normale Fleisch
dann doch bevorzuge. Nach Anbruch der Dunkelheit hieß es Zeit für die Jagt.
Jetzt war ich wirklich mit Adrenalin geladen. Es war komplett dunkel, die
meisten Tiere, wie Schlangen und Löwen sind nachtaktive Jäger und wir waren
fernab jeglicher Menschenseele. 😱
In dieser Nacht sind wir ca. 3 Stunden, 15
Kilometer gelaufen und hatten eine komplette Wüste in unseren Schuhen. Unsere
Ausbeute ist sehr mager ausgefallen, wir haben lediglich einen Hasen gesehen.
Leider war dieser zu schnell für uns und wir haben in aus den Augen verloren. 😆
Andere Tiere sind uns nicht begegnet, wir haben lediglich an einer Stelle einen
starken Wildgeruch wahrgenommen.
Ein weiteres Highlight war der erste Schuss,
den ich in meinem Leben abgefeuert habe. Der Rückstoß war doch größer als ich
erwartet habe und ich kam kurz ins Wanken. Nach unserer Rückkehr, warf ich mich
sofort ins Bett und schlief ein.
Ich war so erschöpft, dass ich selbst den Hahn
in den frühen Morgenstunden nicht wahrgenommen habe und erst gegen 7 aufgewacht
bin. Nach dem Frühstück, was aus der Ziege und dem Pap bestand, sind wir
nochmals zu einem besonderen Spot am Fluss gelaufen. Lucas erhoffte sich, dass
wir dort ein Krokodil treffen werden. Leider hat sich auch nach einigen
Provokationen kein Tier gezeigt, also sind wir zurück zum Dorf gelaufen und
haben unsere Sachen geholt. Nach mehreren erfolglosen Versuchen eine
Mitfahrgelegenheit zu finden, hatten wir schließlich doch Erfolg und wurden
nach Hause gebracht. 😎
Ich war wirklich sehr froh wieder festen Boden unter den
Füßen und fließend Wasser zu haben. Meine erste Tat war mir den Bauch
vollzuschlagen und mich von oben bis unten zu waschen. 😂 Rückblickend war das
trotzdem ein sehr erlebnisreiches und aufregendes Wochenende.
Ich bin wirklich dankbar, dass Lucas mir die Möglichkeit gegeben hat, das Leben im Busch live
mitzuerleben. Ich habe Dinge erlebt, die ich für mein Leben niemals erwartet
habe. Das Leben im Dorf und in der Stadt sind zwei komplett verschiedene
Lebensstile und Denkweisen. Natürlich ist die allgemeine Hygiene auf einem
niedrigeren Stand und das Essen gewöhnungsbedürftig. Das bedeutet aber nicht,
dass das Leben im Busch besser oder schlechter ist, als in der Stadt. Es ist
einfach grundlegend verschieden. Die Menschen, die in den Dörfern leben sind
trotz oder vielleicht wegen den einfachen Verhältnissen sehr glücklich und
haben immer ein Lachen im Gesicht. Lucas, seine Familie und die Dorfbewohner
sind so stolz auf ihre Herkunft, dass sie mit Freuden Auswärtige, wie mich, in
ihr Leben einweihen. Lucas sagte mir immer wieder, dass er mir den
afrikanischen Lifestile zeigen möchte und ich dieses Wochenende niemals
vergessen werde. Er meinte, dass es ihn sehr glücklich macht, mir sein Leben zu
zeigen, wie er aufgewachsen ist und mir solche Erlebnisse bieten kann. Die
Familie erfreut sich an den kleinsten Dingen. Beispielsweise haben es alle
gefeiert, als ich sie in ihrer Sprache begrüßt habe und gefragt habe, wie es
ihnen geht. Respekt vor deinen Mitmenschen wir hier sehr groß geschrieben, was
man vor allem an der Gastfreundschaft und Freundlichkeit der Menschen erkennen
kann. Das ist ein Grund, weshalb ich mich sehr wohl gefühlt habe und nie die
Notwendigkeit von Vorsicht verspürt habe.
Was habe ansonsten gelernt und für mich mitgenommen?
Auch wenn
ich der Meinung bin, dass es nicht DAS perfekt Leben gibt, bin ich doch froh,
dass ich ein Leben wie in Europa führen darf und kann. Diese Erfahrungen lehren
mich noch dankbarer zu sein, für das was ich habe.
Ich konnte meinen Wohlfühlbereich und meine Tugenden Dankbarkeit,
Freude, Weltoffenheit, Respekt und Vertrauen weiter ausbauen und erweitern.
Vielen Dank an Lucas für die tolle Erfahrung und die
unvergesslichen Erlebnisse und vielen Dank an dich, dass du bis zum Schluss
dabei geblieben bist. 💪😁
Bärenstarke Grüße aus Namibia,
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